Von Blur über Aphex Twin bis John Cale: Wir teilen mit euch 50 großartige Comeback-Alben.
Zehn Jahre nach „Wrecking Ball“ dominierte Miley Cyrus erneut die Charts. Sieben Jahre nach ihrem letzten Album knallten uns Metallica wieder was vor den Latz. Ganze 24 Jahre Zeit haben sich Everything But The Girl für ihr Comeback gelassen. Sechs Jahre waren’s bei Fever Ray – „nur“, dabei sind das zum Beispiel zwei Jahre mehr als die komplette, (sieben) Platten-aufnehmende Karriere von Creedence Clearwater Revival. Wir nehmen das zum Anlass, die 50 besten Comebackalben zu küren. Teilnahmebedingungen: erste Platte nach Split oder mindestens zehn Jahre Abstand zum Vorgänger.
Can
RITE TIME
1989
Die innovativen Klänge, die Can bereits in den Siebzigern kultiviert hatten, wurden hierzulande erst im Laufe der Achtziger wirklich angemessen gewürdigt, als Ethno-Sounds, eine zyklische Rhythmik sowie elektronische Experimente Einzug in den Pop hielten. Insofern kam RITE TIME gerade recht. Zumindest theoretisch. Zehn Jahre nach ihrem bislang letzten Werk veröffentlicht, waren die Erwartungen allerdings ausgesprochen hoch, zumal sogar der nahezu sagenumwobene, 1970 ausgestiegene Ur-Sänger Malcolm Mooney wieder mit an Bord war. RITE TIME ist ein durchweg solides, hörenswertes Album, absolut essenzielle Tracks fügte es dem Œuvre der Band allerdings nicht hinzu. Wäre es Mitte der Achtziger veröffentlicht worden, hätte es womöglich mehr Durchschlagskraft entwickelt, aber 1989 klopfte bereits Techno an die House-Tür. Die Karawane war weitergezogen.(Uwe Schleifenbaum)
Television
TELEVISION
1992
Mit MARQUEE MOON veröffentlichten Television 1977 ein Album, welches den Punk definierte und im selben Augenblick überwand. Noch eine nicht minder herausragende Platte im Folgejahr, dann war Schluss. Tom Verlaines Egozentrik, Richard Llyods von Drogen befeuerte Eifersucht: Die Gründe für die Trennung unterschieden sich kaum von denen anderer Gruppen. Dreizehn lange Jahre waren schließlich von Nöten, um die Wunden zu schließen. Seit 1992 wetteiferten ihre Gitarren wieder, im Sommer sogar auf der Bühne des Glastonbury Festivals. Übergeblieben von der kurz weilenden Wiedervereinigung sind zehn Lieder. Ihre Arrangements haben noch einmal an Reife und Raffinesse gewonnen, einige von ihnen wurzeln in Verlaines Leidenschaft für Jazz. Geschliffener wirkt diese Platte und – das ist die Kehrseite – auch zahmer als ihre beiden Vorgänger. Hervorgehoben seien „18freu80 Or So“, „No Glamour For Willi“ und „Mars“. (Martin Schüler)
Die Ärzte
DIE BESTE IN MENSCHENGESTALT
1993
Zwei gefloppte Interims„karrieren“ mit King Køng und Depp Jones, sowie der unbedingte Drang, den rechtsradikalen Gewaltexzessen im mittlerweile wiedervereinten Deutschland etwas entgegenzusetzen, brachten Bela B und Farin Urlaub nach fünf Jahren Trennung wieder zueinander. Das Ergebnis ist ihr bestes Album mit ihrer besten Single, „Schrei nach Liebe“. Zwar bildete den Abschluss der Platte ein gerülpstes „Ja!“, aber Die Ärzte waren keine Kindsköpfe mehr. Bei „Mach die Augen zu“ gab’s nichts mehr zu lachen, bei „Friedenspanzer“ schon, aber eben auch viel zum Nachdenken. Auch der Sound hatte sich geändert: Der ehemalige Metal-Skeptiker Urlaub entdeckte harte Töne für sich und aus den Rockband-Parodisten mit klaren Gitarren war eine Rockband mit dreckigen Gitarren geworden. Überragend: die Volksmusikparodie „Wenn es Abend wird“, bei der die angefragten Wildecker Herzbuben dann doch nicht mitmachen wollten. (Stephan Rehm Rozanes)
Scott Walker
TILT
1995
Als TILT ein paar Jahre vor dem Millennium erschien, hatte Scott Walker mit CLIMATE OF HUNTER (1984) bereits ein erstes verstörendes Comeback hingelegt – mit wenigen Blues- und Rock-Konzessionen an ein Traditionspublikum. Walker, einst Teenager-Idol und strahlender Bariton der Beat-Ära, wagte sich mit seinem Kunstheulen auf Ambient-Flächen, die von fein knarzenden Jazz-Bässen begrenzt wurden. Der Sänger suchte einen Außenposten und wollte dennoch gehört werden. TILT öffnete dem selbst gewählten Exil und der Walker’schen Widerspruchskunst nun einen kompletten Klangraum, in dem Esoterik, Industrial Music und die Gothic Opera um ihre Einflusssphären kämpften. Schwer sortierbare Musik, die auf das einstimmen sollte, was die radikalen Tonfolgen auf BISH BOSCH (2012) manifestierten: Scott Walker setzte sein persönliches Gefechtsfeld in Sound. (Frank Sawatzki)
The Verve
URBAN HYMNS
1997
Nach zwei moderat erfolgreichen Platten hatten sich die Britpopper mit Hang zu ausufernden Arrangements 1995 im Streit getrennt. Was als Solodebüt von Sänger „Mad“ Richard Ashcroft gedacht war, geriet dann doch zum dritten Album der Gruppe, nachdem Ashcroft gemerkt hatte, dass seinen Songs die einzigartig fließende Gitarre von Nick McCabe fehlte und ihn mitsamt dem Rest der Band zurückholte. Das um ein Sample aus einer 1965er-Orchesterversion des Stones-Oldies „The Last Time“ gebastelte „Bitter Sweet Symphony“ wurde ein Welthit, mit der nachfolgenden Ballade „The Drugs Don’t Work“ standen die ehemaligen Underdogs auf Platz 1 im UK. Zehn Millionen sollten die Großstadthymnen verkaufen und The Verve zur einzigen Band machen, die Genregott Noel Gallagher neben sich akzeptierte. Doch die alten Wunden heilten nie: 1999 ging die Band erneut auseinander, ebenso zehn Jahre später nach einem kurzen Comeback mit dem faden FORTH. (Stephan Rehm Rozanes)
Blondie
NO EXIT
1999
Keine Frage: NO EXIT, 17 Jahre nach THE HUNTER veröffentlicht, war ein kommerzieller Erfolg. Die Single-Auskopplung „Maria“ erreichte Platz 1 der britischen Charts, die bereits vier Monate vor der Album-Veröffentlichung beginnende, 113 Shows umfassende Welt-Tournee geriet zum Inbegriff einer gelungenen Wir-sind-wieder-da-Sause. So weit, so gut. Fakt ist aber auch, dass NO EXIT mit Glanztaten wie den ersten vier Blondie-Alben, allen voran PARALLEL LINES, nicht so ganz mithalten konnte. Schlimm? Nein. Denn erstens überwog die Freude, die Band überhaupt wieder auf einer Bühne stehen zu sehen, zweitens folgten danach achtbare bis richtig gute Werke, etwa POLLINATOR von 2017. NO EXIT war also nur die Ouvertüre und Blondies zweiter Frühling keine dieser würdelosen Geldbeschaffungsmaßnahmen kurz vor der Rente, sondern tatsächlich von Dauer. (Uwe Schleifenbaum)
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